Donnerstag, 3. September 2015

RETUSCHIERT - Prolog

Mein Herz klopfte wie wild in meiner Brust. In der Garderobe war die Luft stickig und von hektischen Gemurmel und nervösen Fragen erfüllt.
Ich starrte in mein Spiegelbild, betrachtete meine helle Haut, meine saftigen, pinken Lippen und meine dunkelbraunen Augen. Eine Stylistin, dessen Namen ich nicht kannte, puderte meine Stirn und meine Wangen.
„Die Haare müssen gerichtet werden.“, brüllte sie.
Sofort tauchte ein Mädchen mit hellem Haar neben mir auf. Sie schnappte sich den Lockenstab und begann einige der Locken neu zu drehen, die herausgefallen waren, als ich mich etliche Male umziehen musste. Sie kam mir so nah, dass ich die verstopften Poren um ihre ölige Nase erkennen konnte.
Die Tür schwang auf und ein Mann kam in die Garderobe.
„Ist sie fertig? Wir haben einen straffen Zeitplan, an den wir uns halten müssen.“, meinte er mit unfreundlicher Stimme.
„Sie ist fertig.“, meinte Mr. Kwon, mein Manager. Er trug wie immer seine blaue Sonnenbrille. Auch wenn wir drinnen waren.
Das Mädchen sprühte etwas Haarspray auf die fertigen Locken und eine Stylistin puderte mir erneut das Gesicht.
Ich stand von meinem Stuhl auf und ging zu Mr. Kwon.
„Sieht sie nicht bezaubernd aus?!“, sagte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Er legte seinen Arm um meine Schultern und sah durchaus stolz aus.
„Sie sieht besser aus, als auf der Sedcard.“, meinte der Mann.
„Habe ich dir doch gesagt, oder nicht?!“, grinste Mr. Kwon.
„Clover, das ist Mr. Park, Level Five’s Manager.“, stellte er mich endlich dem Mann vor.
Ich verbeugte mich vorsichtig. Also er war es, der mich gebucht hatte.
„Ja, ja. Dafür haben wir keine Zeit. Wir müssen mit dem Dreh anfangen.“, sagte Mr. Park und führte uns aus der Garderobe hinaus. „Zeit ist Geld.“
Wir gingen den Flur hinunter, gefolgt von einem Haufen Stylisten, die mit uns zum Drehort kommen sollten, falls Haare und Makeup aufgefrischt werden mussten.
Ich fühlte mich seltsam. Ich fühlte mich irgendwie besonders, aber gleichzeitig empfand ich eine Art Unbehagen. Mein Kleid war viel zu eng und ich hatte angst, dass ich gleich nicht mehr atmen konnte.
Wir stiegen schließlich in den Fahrstuhl von Elbi Entertainment ein. Mein Herz begann zu rasen, als wir die Lobby erreichten. Ich war so nervös, dass sich mein Magen umdrehte. Oder vielleicht lag es auch daran, dass ich noch nichts gegessen hatte.
Mr. Park und Mr. Kwon versperrten mir die Sicht. Aber dennoch versuchte ich an ihnen vorbei zu schauen, um zu sehen, was mich vor den gläsernen Türen erwartete.
„Ihr geht am besten durch die Seitentür raus. So haben die Jungs noch einige Minuten zum Autogramme schreiben.“, sagte Mr. Park.
Ich konnte die Fans schreien hören und versuchte die Jungs zu erspähen, die außerhalb des Gebäudes waren. Doch Mr. Kwon griff nach meinem Arm und zog mich zur Seitentür hinaus, bevor Mr. Park nach draußen trat und sich die Glastür öffnete.
     Das Auto wartete bereits. Schwarz mit getönten Scheiben.
Ich stieg ein und sofort wurde die Tür hinter mir geschlossen.
Ich versuchte mich zu beruhigen. Mir war schwindelig und ich wurde mit einem Mal total müde. Aber ich musste fokussiert bleiben. Ich durfte jetzt auf keinen Fall ohnmächtig werden. Es war keine Zeit erschöpft zu sein.
„Hier, trink etwas.“, sagte Mr. Kwon und reichte mir eine Wasserflasche. „Aber nicht zu viel, sonst sieht man noch deinen Bauch.“, fügte er hinzu.
Der Motor wurde gestartet und der Wagen fuhr um die Ecke, ehe er vor dem Haupteingang wieder anhielt. Ich spähte aus den getönten Scheiben und beobachtete wie Level Five in deren Auto stiegen. Ich erkannte Baeksoo, der den Fans zuwinkte. Seoljin war der letzte, der in den Wagen stieg. Er hatte sich erst kürzlich die Haare blau gefärbt und so erinnerte ich mich am meisten an ihn.
„Also, hier sind die Regeln.“, begann Mr. Kwon. „Die Jungs werden ganz schön nah an dich heran kommen beim Dreh. Ich will, dass du dich professionell verhältst. Ich will nicht, dass jemand bemerkt, dass du Anfängerin bist, klar?!“, sagte er mit einem ernsten Ton in der Stimme.
Ich nickte. Professionell wirken.
„Außerdem! Fass die Jungs nicht an, starre sie nicht an. Und, spricht nicht mit ihnen.“
Ich schaute in Mr. Kwon’s schwarze Augen und hämmerte mir seine Worte in den Kopf. Er nahm seine Sonnenbrille nur ab, wenn es ihm wirklich ernst war.
„Hast du das verstanden?“, fragte er.
Ich nickte nochmals.
„Wenn das heute gut läuft, werden das…“, sagte er und deutete aus dem Fenster, „…bald deine Fans sein.“, meinte er und grinste.
Ich nahm einige tiefe Atemzüge. Dann fuhr der Wagen los und folgte dem Wagen von Level Five.

Ich wurde ihnen nicht vorgestellt. Irgendeine Frau zeigte mir meinen Platz und gab mir Anweisungen, was ich zu tun hatte. Im Grunde war mein Job herumzustehen und gut auszusehen, während einer der Jungs um mich herum wuseln würde.
Man sagte mir ich solle mich einfach natürlich verhalten und die Band wüsste schon, was sie zu tun hätten.
„Action!“, brüllte ein Mann.
Das Set war ein kleines Café. Ich trug ein hellblaues Kleid und sollte eine Kellnerin des Cafés sein. Ich war nicht das einzige Mädchen, die zum Dreh eingeladen war. Allerdings trugen die anderen alle weiße Schürzen. Ich musterte sie sorgfältig und suchte nach einigen Fehlern an ihnen. Ich spürte wie die Eifersucht in mir hochkochte.
„Clover!“, schrie jemand. Ich schaute in die Augen eines wütenden Regisseurs. Ich musste mich erst an diesen Namen gewöhnen. „Könntest du dich konzentrieren?!“, sagte er. Einige der anderen Mädchen kicherten schadenfroh.
Wir fingen von vorne an.
„Sehr gut!“, sagte der Regisseur. „Cut!“, hörte ich. „Haare!“, schrie jemand.
Sofort kam die Friseuse von vorhin zu mir gelaufen und richtete meine Haare.
     Ich fühlte mich allmählich etwas besser vor der Kamera. Langsam verschwand die Nervosität. Allerdings hatte ich immer noch niemanden von Level Five gesehen.
Wir machten eine kurze Pause. Ich fühlte mich leicht benommen und ging hinüber zum Buffettisch, um etwas Wasser zu trinken.
„Iss hier bloß nichts.“, hallte Mr. Kwon’s Stimme in meinen Ohren. Er war plötzlich hinter mit aufgetaucht. „Du kannst später essen.“, sagte er. Mein Magen knurrte als Antwort darauf.
„Hey!“, hörte ich jemanden sagen. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass Mr. Kwon schon gegangen war.
Als ich mich umdrehte, blickte ich in Taejung’s Gesicht. Er war der Maknae von Level Five, also der Jüngste von ihnen.
Ich erinnerte mich an Mr. Kwon’s Worte und sagte nichts.
„Ich bin Taejung.“, sagte er. „Mir wurde gesagt ich soll gleich mit dir drehen.“, lächelte er.
Taejung war etwas größer als ich. Er trug ein hellblaues Hemd, passend zu der Farbe meines Kleides und seine Haare waren zu einer Seite gestylt.
„Du bist Clover, simmt’s?“, fragte er, als ich nichts sagte.
Ich nickte bloß. Clover, so hieß ich jetzt.

„Taejung!“, Mr. Park kam zu uns. „Wir fangen mit dem Mittelteil an.“, sagte er.
Während ich keine Ahnung hatte, was das bedeutete, schien Taejung sofort Bescheid zu wissen, was gerade vor sich ging.
„Dann seh’ ich dich wohl später.“, sagte Taejung und lächelte mich an. Mr. Park schloss seine Augen zu Schlitzen und starrte mich an ehe er zusammen mit Taejung ging.
     Ich gab mein Bestes um professionell zu wirken. Den Mittelteil zu drehen bedeutete, dass die komplette Band im Café um mich herum tanzte. Mr. Kwon und Mr. Park und der Rest des Teams schienen ziemlich zufrieden mit dem zu sein, was ich ihnen anbot. Denn wir mussten kaum eine Szene noch einmal drehen. Ich fühlte mich langsam ziemlich selbstsicher.
Ich hatte den anderen Mädchen vorher neidische Blicke zugeworfen, doch nun waren sie es, die mich so anschauten. Ich war der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ich war die weibliche Hauptrolle in dem Musikvideo, hinter der alle Mitglieder von Level Five her waren. Ich fühlte mich großartig. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich es geschafft. Zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, Mr. Kwon’s Worte würden wirklich wahr werden. Das war nur der Anfang meiner Karriere. Und ich benutzte Level Five’s Bekanntheit dafür.

     Endlich war es an der Zeit meine Szene mit Taejung zu drehen. Er war es, der das Mädchen am Ende des Videos bekam. Oder ich hätte auch sagen können, er war derjenige, der MICH am Ende bekam.
Ich hatte wirklich Spaß mit ihm zusammen zu drehen. Es fühlte sich sogar so an, als wäre da tatsächlich etwas zwischen uns. Es gab eine Szene, in der er sich über die Theke lehnte, mir tief in die Augen schaute und meine Hände in seine nahm. Ich war total reglos, als er mich so ansah. Aber zum Glück bemerkte niemand, dass ich komplett den Faden verlor, während ich in Taejung’s fesselnde Augen starrte. Ich spürte einen Schauer, der meinen Rücken hinunterlief, als er meine Hand zum ersten Mal berührte.
„Gute Arbeit, Leute!“, sagte der Regisseur zufrieden und klatschte in die Hände.
Der Dreh war zu ende.
Mr. Kwon führte mich sofort aus dem Café hinaus. Kein auf Wiedersehen. Nichts.
Wir stiegen in den Wagen und fuhren zurück zu meinem Wohnheim. Ich war müde und hatte extremen Hunger. Aber dennoch war ich glücklich. Jetzt musste ich nur noch warten, bis das Musikvideo veröffentlich werden würde.




© all rights reserved || copyright by J.J.B. allejmoon.blogspot.com

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen